Ein 72-jähriger Mann wurde vor kurzem vor Gericht gestellt, nachdem er versucht hatte, im Sommer eine Spezialerde in einem Blumenmarkt in der Donaustadt zu erwerben. Zu seiner Überraschung sah er sich mit einer möglichen Haftstrafe von bis zu fünf Jahren konfrontiert. Der Mann, der einst ein erfolgreiches Gastronomieunternehmen führte und ein großes Haus sowie einen SUV besitzt, wurde beschuldigt, ein Schlauchwagerl und eine Topfpflanze räuberisch gestohlen zu haben. Zusammen mit seinem Verteidiger betrat der freundliche 72-Jährige den Gerichtssaal. Obwohl er lächelte, verrieten seine unruhigen Beine unter dem Anklagetisch seine Nervosität. Kein Wunder, denn dem Rentner drohten im Wiener Landl am Mittwoch bis zu fünf Jahre Gefängnis. Die Anschuldigungen des räuberischen Diebstahls kamen für den älteren Herrn scheinbar aus heiterem Himmel.
Laut der Staatsanwaltschaft soll der Mann am 26. Juli 2023 in einem großen Gartenmarkt in der Donaustadt ein Schlauchwagerl und eine Topfpflanze an der Kasse vorbeigeschmuggelt haben. „Der Niederlassungsleiter hat den Angeklagten, der in Begleitung einer Frau war, im Markt bemerkt. Daraufhin hat er ihn beobachtet und verfolgt“, erklärte der Staatsanwalt. Als die Kassiererin bestätigte, dass für das Schlauchwagerl nicht bezahlt worden war, stoppte der Niederlassungsleiter den schwarzen SUV auf dem Parkplatz, in dem der mutmaßliche Dieb saß. „Ein Mann in Jeans und T-Shirt klopfte plötzlich wild an die Scheibe und schrie so etwas wie ‚Mach auf, du Trottel!‘. Ich hatte Angst und bin losgefahren“, beschrieb der Angeklagte die seltsame Situation. Sein einziges Ziel sei es gewesen, schwarze Erde zu kaufen, um ein Loch im Garten zu stopfen, das sein Schäferhund gegraben hatte. Nachdem ihm im Markt jedoch mitgeteilt wurde, dass diese Spezialerde nicht vorrätig sei, habe er den Ort wieder verlassen.
Der Niederlassungsleiter, der als Zeuge aussagte, ist sich jedoch sicher, dass es sich bei dem Angeklagten um den Mann handelt, den er gemeinsam mit einer Frau im Markt beobachtet hatte. „Ich habe keine Frau, nur meinen Hund“, beteuerte der Pensionist kopfschüttelnd, aber weiterhin freundlich. Er erklärte, dass er weder eine Topfpflanze noch eine Schlauchtrommel benötige, da er bereits zwei Schlauchsysteme mit einem anderen Anstecksystem besitze. Sein Verteidiger legte Bilder dieser Systeme sowie ein Foto des Hundes vor. „Es handelt sich um eine äußerst seltsame Geschichte. Die beiden Schilderungen gehen stark auseinander. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass es sich um eine Verwechslung handelt“, erklärte Richterin Danja Petschniker den nicht rechtskräftigen Freispruch nach kurzer Beratung. Der Zeuge hatte das Pärchen nicht die ganze Zeit über im Blick gehabt. Der erleichterte 72-jährige Mann hätte sich die Aufregung um die lange Haftstrafe jedoch lieber erspart.