Die Thaliastraße in Wien, einst ein beliebter Treffpunkt für Einheimische und Touristen, hat in den letzten Jahren an Glanz verloren. Traditionelle Geschäfte sind zur Seltenheit geworden und ausländische Läden dominieren das Straßenbild. Jaqueline Schneider, Inhaberin des Espresso Jackie, erzählt von den besseren Zeiten: „Die goldenen Zeiten der Thaliastraße sind schon lange vorbei.“ Schneider betreibt das Kaffeehaus seit 30 Jahren und muss nun mit sinkenden Besucherzahlen kämpfen. Früher sei es üblich gewesen, vor der Arbeit auf einen Kaffee vorbeizuschauen, aber heutzutage sei am Vormittag kaum noch etwas los.
Ähnliche Sorgen hat auch Andrea Hütter, die seit 39 Jahren in einem Herrenausstattergeschäft arbeitet. „Das Geschäft läuft nicht gut, die Klientel hat sich verändert“, berichtet sie. Ihr Chef Viktor Wagner klagt zudem über fehlende Unterstützung seitens des Bezirks für die Geschäftsleute. Obdachlose und Müll prägen das Straßenbild der Thaliastraße, obwohl diese erst letztes Jahr umgestaltet wurde. Betonblumenbeete, voll mit Zigarettenstummeln, und ungenutzte Sitzgarnituren, die hauptsächlich von Obdachlosen belagert werden, sind keine Seltenheit.
Die einstige Vielfalt der 2,8 Kilometer langen Einkaufsstraße ist verschwunden. Anstatt traditioneller Läden reihen sich nun Kebabbuden aneinander. Handy-Shops, Barber-Shops und Friseursalons dominieren das Bild. Ali Kurt, Inhaber eines Friseursalons, berichtet von der minderen Qualität seiner Konkurrenten. Er erzählt von einem syrischen Bewerber, der behauptete, sich auszukennen, weil er zuhause Schafe geschoren habe. Christian Anibas, ein langjähriger Friseur, beklagt sich ebenfalls über die sinkende Kundschaft. Er kann mit den Dumpingpreisen der Barber-Shops nicht mithalten, betrachtet sie jedoch nicht als direkte Konkurrenz, da sie eine andere Klientel bedienen.
Nicht nur auf der Thaliastraße gibt es Veränderungen, sondern auch auf dem Brunnenmarkt. Mit 170 Ständen gilt er als der längste Straßenmarkt Europas. In den 1960er Jahren waren die Griechen die führenden Händler auf dem Markt, gefolgt von den Türken. Heute sind immer mehr Firmenaufschriften in arabischer Sprache zu sehen und orientalischer Tee wird aus Kannen serviert. Das Produktsortiment erinnert an die Geschichten aus 1001 Nacht. Ein Standbetreiber berichtet, dass die Kinder die Geschäfte nicht übernehmen möchten, da sie eine bessere Ausbildung als ihre Eltern und Großeltern haben. Arabische Standbetreiber zahlen hohe Ablösesummen für einen Marktstand, deren Herkunft oft unbekannt ist. Der Preis für eine Koje beginnt bei 100.000 Euro, im Vergleich zum Wiener Naschmarkt sind das jedoch günstige Preise. Beliebte Gastronomiebetriebe wechseln dort für bis zu 6 Millionen Euro den Besitzer.
Der einstige Charme der Thaliastraße und des Brunnenmarkts scheint verblasst zu sein. Die Vielfalt und Tradition wurden von ausländischen Geschäften verdrängt. Ob die Straßen in Zukunft wieder zu ihrem früheren Glanz zurückfinden werden, bleibt fraglich. In der Zwischenzeit kämpfen die verbliebenen traditionellen Geschäfte um ihr Überleben und versuchen, mit den Veränderungen Schritt zu halten.