27. Juli 2024

„Stadtspaziergänge: Krieg und verschwindende Zeitzeugen“

Robert Frö, renommierter Reporter der Zeitung „Krone“, schlendert durch die Straßen von und führt Gespräche mit den Bewohnern über ihre Erlebnisse, Gedanken, Sorgen und Ängste. Er sammelt alltägliche Geschichten direkt aus dem Herzen der österreichischen Hauptstadt.

Die Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs auf das der Menschen in Wien sind ein Thema, das bei vielen nie wirklich präsent war. Robert selbst hatte nie das Glück, seine Großväter kennenzulernen, da sie alle vor seiner Geburt verstarben. Seine Großmutter, geboren 1926, hat die Schrecken des Krieges hautnah miterlebt. Die Erinnerungen an diese Zeit haben sich tief in ihre Psyche eingebrannt und sie sprach nur widerwillig darüber. Robert versuchte immer wieder, durch Fragen ihre Schutzmauer zu durchbrechen, aber nur wenige Bruchstücke und Fetzen von Geschichten aus ihrer Jugend fanden den Weg zu ihm.

Der Tod seiner Großmutter vor elf Jahren bedeutete auch das Ende seiner direkten Verbindung zu einer Zeitzeugin des Zweiten Weltkriegs. Ein kürzlich erschienener Artikel in der „FAZ“ beleuchtete die Tatsache, dass das schrittweise Aussterben der Zeitzeugen die Gefahr birgt, dass die in Vergessenheit gerät. Die Geschichten und Erfahrungen der Überlebenden wurden oft nicht ausreichend gehört und die Aufarbeitung des Nationalsozialismus in den Nachkriegsjahren war mangelhaft.

In Österreich wurde die Auseinandersetzung mit Begriffen wie Nationalsozialismus, Holocaust und Konzentrationslagern oft vermieden oder tabuisiert. Das Land sah sich gerne in der Opferrolle und die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit wurde vernachlässigt. Mahnende Worte von KZ-Überlebenden wurden erst spät ernst genommen und die Erinnerungsarbeit an die Gräueltaten des Naziregimes war unzureichend.

Heutzutage sind antisemitische Vorfälle in Wien und anderen Städten keine Seltenheit. Gedenkstätten werden oft respektlos behandelt und der Antisemitismus nimmt in einigen Kreisen wieder zu. Die jüdische Fahne wurde zerrissen, Erinnerungssteine wurden beschmiert und die Stimmung ist bedrohlich.

Die Idee, in Zukunft mit Hologrammen und künstlicher Intelligenz als Zeitzeugenersatz zu arbeiten, wird diskutiert. Doch es ist ein großer Unterschied, ob man die Geschichte von einem echten Menschen erzählt bekommt oder von einer virtuellen Projektion. Es liegt an uns allen, mit Wachsamkeit, Toleranz und Offenheit durchs Leben zu gehen, damit sich die Geschichte nicht wiederholt – auch wenn uns die Zeitzeugen fehlen.